Qigong, Meditation und Praxis – Gespräch mit dem Qigonglehrer Konstantin Rekk
Podcast mit Joris Förster bei „Angesprochen“
Was können wir tun, um ein gesundes und bewusstes Leben zu führen?
In diesem Podcast spricht Joris mit seinem Qigonglehrer Konstantin und befragt ihn zur chinesischen Philosophie des Taosimus, der Praxis des Qigongs und der Meditation. Qigong kann man sich wie eine Mischung aus Tai Chi und Yoga vorstellen, auch, wenn ein Profi dem wahrscheinlich widersprechen würde. Genaueres erfahrt ihr beim Hören 🙂
Es ist spannend, von einer Dimension der Erfahrung zu hören, die nicht auf der des Intellektes beruht. Wir erfahren uns jeden Tag, aber der Fokus liegt meist auf der Welt, auf den Gedanken, den Gefühlen oder dem Körper. Deshalb kann es so gut tun, sich für die Dauer dieser Folge an einen ruhigen Ort zu setzen, oder zu legen, und mit der Aufmerksamkeit bei sich selbst zu bleiben.
Joris: Ich gehe ja einmal in der Woche zu dir in den Qigong-Unterricht und wenn ich hier bin, dann sehe ich im Flur mehrere Zertifikate hängen. Zum Beispiel zur Meditationsausbildung, zu Atemübungen, und ich sehe auch, dass du ein zertifizierter Qigonglehrer bist. Stell dich doch bitte vor, wo kommst du her und wie ist dein Werdegang?
Konstantin: Ja, wo komme ich her? Das wüsste ich auch gerne – genauso wie, wo gehe ich hin? Diese Fragen haben mich schon immer beschäftigt, und deswegen habe ich überhaupt angefangen zu meditieren, Kampfkunst und Qigong zu praktizieren. Von meiner Ausbildung her bin ich Lehrer für Qigong, Meditation und Aikido, habe den fünften Dan im Aikido und entsprechende Zertifikate für Ausbildungen in Qigong, Meditation, Coaching, Hypnose usw. – wie du gesagt hast. Ursprünglich habe ich ein Studium in Mathematik und theoretischer Physik abgeschlossen, dann habe ich mich aber auf einen anderen Weg gemacht, weil ich nicht hinterm Schreibtisch forschen wollte.
Joris: Weißt du noch, was dich davon abgehalten hat, hinterm Schreibtisch zu forschen?
Konstantin: Naja, es gab und gibt immer mehrere Kräfte, die an einem ziehen und die eine war damals, gegen Ende der 90er Jahre, der erhebliche Umbau in der Forschungs- und Universitätslandschaft. Durch den neoliberalen Umbau hat sich das Studium verändert. Es wurden viele Leute gekündigt, gute Leute aus dem akademischen Mittelbau, und es entwickelte sich in eine Richtung, in der man neben dem Studium nicht mehr so frei war. Das wollte ich nicht, ich wollte eine produktive, schöpferische Forschung machen.
Die andere Kraft, die an mir zog, war natürlich mein Erkenntnisstreben, nicht nur auf wissenschaftlicher Ebene, sondern auf der Ebene des Erfahrens und des Erlebens, und mir war klar, dass die Forschung hinter dem Schreibtisch, so spannend sie auch sein mag, mich in diese Richtung nicht weiterbringen würde. Was mich wirklich interessierte, war die Frage, mit der wir geboren werden, die wir verfolgen können, wenn wir Glück haben im Leben.
Also habe ich Meditation und Aikido praktiziert, und bin dann für 2 Jahre nach Nepal gegangen, um dort im Tibetischen Buddhismus die Meditationspraxis zu lernen, zu üben und zu vertiefen. Das war eine spannende Zeit.
„Der Schwimmende Drache“ – eine wirksame Qigong-Übung, die Du fast überall in 5 Minuten üben kannst:
Joris: Welche Frage ist das, die dich dorthin gezogen hat?
Konstantin: Was ist diese Welt? Was ist das eigentlich? Ich glaube, diese Frage haben viele.
Woher kommen wir, wohin gehen wir, und was soll das Ganze zwischendurch? Klar, da gibt es die wissenschaftliche Methode, die mit Hilfe von rationalen Modellen versucht das abzubilden. Aber es gibt natürlich auch die, sagen wir mal, mystische Methode, spirituelle oder philosophische Methode, die das Erleben sucht. Sie möchte die Erkenntnis nicht nur theoretisch abbilden, sondern tatsächlich erfahren und dann im Leben umsetzen.
Joris: Ist das dann so etwas wie Religion? Hast du eine Religion gesucht?
Konstantin: Religion habe ich nicht gesucht, ich bin nicht der Glaubensmensch. Es gibt allerdings einen produktiven Glauben, dass gewisse Annahmen dich weiterbringen und dich zur Erkenntnis führen, auch zum Erlebnis der Einheit. Und das ist kein religiöser Glaube. Religiöser Glaube bedeutet ja, dass du einfach glaubst, an einen Gott zum Beispiel.
Jeder Wissenschaftler hat einen Glauben. Die meisten Erkenntnisse werden ja so gefunden, dass man eine informierte Annahme hat, eine Inspiration, und dann hin geht und versucht das zu überprüfen und nachzuweisen. Und so einen Glauben, den brauchen wir, und ich nehme an, dass der Mensch gar nicht ohne ihn kann, denn wir wissen ehrlich gesagt nicht viel.
Joris: Wir wissen nur, dass wir nichts wissen. Hast du denn gefunden, wonach du gesucht hast?
Konstantin: Das ist deshalb eine schwierige Frage, weil sie eine Abgeschlossenheit impliziert. Und wie Krishnamurti (sinngemäß) gesagt hat: „Die Wahrheit ist ein Prozess“. Sie ist nicht etwas Abgeschlossenes. Sobald ich abschließe, ist das wieder eine Abbildung von etwas, eine Fixierung in meinen Gedanken. Die Wahrheit ist ein wegloses Land, sie muss jeden Augenblick neu gefunden werden. Insofern kann man sagen, dass ich einen Zugang zu ihr gefunden habe, und dann doch nicht gefunden habe. Das ist jetzt vielleicht asiatisches Denken in Paradoxien, gefunden und doch nicht gefunden. Das Finden muss jeden Augenblick neu vonstatten gehen. Das ist mein augenblicklicher Stand – es kann sein, dass ich in zehn Jahren was anderes dazu sage.
Wandle Muskeln und Sehnen, bewege Dein Qi – neuer Qigong-Einsteigerkurs
Tu Dir was Gutes! Nutze die Chance zum einfachen Einstieg ins Qigong: Unser neuer Qigong-Einsteigerkurs startet am 11. September. Du übst die Grundlagen und lernst die 12 Bewegungen aus der Reihe "Wandle Muskeln und Sehnen, bewege Dein Qi".
Genieße den freien Fluss Deiner Lebenskraft – Neujahrs-Seminar 2025 mit Konstantin Rekk
An diesem Wochenende kannst Du Dein Leben mit der wunderbaren Erfahrung der Einheit von Stille und Lebendigkeit bereichern und danach in Deinen Alltag mitnehmen. Dabei helfen Dir wirksame Methoden, die Konstantin Dir an diesem Wochenende vermitteln wird:
Übungen für Wirbelsäule und Zentrum (Dantian),
Spontanes Qigong – freier Fluss der Lebenskraft,
stille Übungen der taoistischen Meditation.
Joris: Das wäre sehr menschlich. Was hat dich denn dazu gebracht hier in Deutschland zu lehren?
Konstantin: Das war eine bewusste Entscheidung. Ich wollte üben, ich wollte die tibetischen und taoistischen Praktiken machen, die mich inspiriert haben und bei denen ich gemerkt habe, dass dadurch etwas passiert.
Joris: Und wolltest du diese Erkenntnis gerne mit anderen Leuten teilen?
Konstantin: Ja, ich wollte teilen und ich wollte selbst üben. Wir leben natürlich nicht mehr in einem System, in dem wir uns in die Höhle zurückziehen und dort üben können. Früher kamen Menschen zu einem, die das gut fanden und die einen unterstützt haben, zum Beispiel, indem sie Essen gebracht haben. Das ist hier im Westen mit dem Christentum genauso gewesen, hier hieß es Kirchensteuer.
Diese Möglichkeit gibt es jetzt so nicht mehr. Wir können uns kaum noch irgendwohin zurückziehen, wir müssen mitten im Leben üben. Das ist die größte der Herausforderungen.
Ich stellte mir dann die Frage, wie ich meine Praxis so einrichte, dass ich in der Praxis bleibe und sie gleichzeitig mit anderen teilen kann. Ich wollte mit Qigong als Methode, die nicht nur spirituell, sondern auch der Gesundheit und der Entspannung dient, in ein Austauschverhältnis kommen.
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Joris: Ich kann auch sagen, dass es für mich funktioniert, die gute Energie zu teilen. Ich komme gerne hierher und gehe hier auch immer sehr erfüllt raus. Das schwingt dann hier im Dojo umher.
Konstantin: Dankeschön, das freut mich.
Joris: Du hast jetzt das Wort Taoismus gesagt und ich glaube meine Mitschüler:innen kennen das Christentum und vielleicht auch den Buddhismus, aber was ist denn der Taoismus?
Konstantin: Das ist eine gute, umfangreiche Frage.
Joris: Dann lass mich mal zuerst fragen: Gibt es wie im Buddhismus und im Christentum auch jemanden, an den geglaubt wird oder der eine Erleuchtung erfahren hat, so wie Jesus oder Buddha?
Konstantin: Nicht so eins-gerichtet. Außerdem haben Buddha und Jesus zwei unterschiedliche Messages. Der Buddha ist kein Gesandter Gottes, er hat gezeigt, dass ein Mensch, so wie du und ich, allein durch die Methoden, die er später beschrieben hat, die Erleuchtung erlangen kann. Der Buddha ist also kein Gott in dem Sinne, obwohl er in späteren religiösen Richtungen oft wie ein Gott behandelt wird. Das liegt aber an der Tendenz des Menschen, immer irgendetwas im Außen auf einen Thron zu setzen, das er anbeten kann.
Der Taoismus ist, wie der Buddhismus, eine Erfahrungs-Religion. Der Begriff Religion stimmt dann eigentlich gar nicht mehr, er ist eher eine philosophisch-praktische Bewegung. Der Taoismus ist vielfältig, er besteht aus unterschiedlichen traditionellen Ansichten, Erfahrungen, Konzepten, die als Taoismus zusammengefasst werden und es gibt, nicht so wie im Buddhismus, ein relativ stringentes kanonisches Konzept. Stattdessen ist er sehr vielfältig und betrifft die unterschiedlichen Vorstellungen von der Wirklichkeit. Ein Konzept, welches vielen bekannt ist, ist das Konzept von Yin und Yang, also dass es eine Lebenskraft oder Energie gibt, die alles verbindet und sowohl körperliche Manifestation als auch den Geist umfasst. Dass es dieses Spiel von Yin und Yang gibt und dass alles ursprünglich aus einer Leerheit kommt, aus dem Wuji, aus dem Formlosen. Durch Differenzierung, durch Aktionen von Yin und Yang entstehen dann Formen, wie die Welt oder der Mensch. Dieser kann in Einklang mit dem Tao kommen, weil er das ursprüngliche Wissen und die drei Schätze hat.
Das ist auch die Brücke zum Qigong. Wir haben den Körper – heute würden wir dazu Genom sagen, also das, was uns von unseren Eltern vererbt wurde. Dann haben wir Qi, „Kraft“, und natürlich den Geist oder das Bewusstsein. Wir haben für letzteres keine adäquate Übersetzung, aber wir können uns dem ursprünglichen Wort durch die Übersetzung mit „Geist/Bewusstsein“ annähern. Das sind die 3 Schätze, die jeder Mensch hat und sie sind universell. Wenn du sie entwickelst, dann kannst du in die Einheit, zum Ursprung, zurückkehren.
Das wäre auch so ein Konzept von Erleuchtung. Es bedeutet, dass du dich mit dem All-Einen verbinden, vereinen kannst, davon da gibt es unterschiedliche Stufen. Manche Taoisten wollen zu Göttern werden, sie sagen, „wir praktizieren, wir bekommen diese Macht“, und das Ziel ist, nicht zu sterben, wenn der Körper stirbt, sondern sich in Energiewesen zu verwandeln und sich zu Göttern weiterzuentwickeln.
Natürlich gibt es mittlerweile auch im Taoismus so etwas wie Klöster, das wurde den Buddhisten nachempfunden. Dort bekommt man dann Talismane und es gibt so allerlei, was man sonst als Aberglaube kennt: Schamanismus, Schutzformeln usw… Wie in jeder Religion gibt es auch im Taoismus Menschen, die das dualistisch betrachten und hoffen, dass sie da Mittel bekommen, z.B. Talismane, an die sie glauben und mit denen sie etwas anfangen können, ohne groß selber zu üben. Gleichzeitig gibt es natürlich die Übenden, die sagen „Darum geht es mir nicht, sondern es geht um meinen Geist und meine Entwicklung als Mensch. Ich möchte mein Potential vollenden oder mit dem Welt-Gesetz, mit dem Tao, im Einklang, in Frieden sein. Deshalb übe ich und entwickle entsprechende Kenntnisse“.
Die Taoistische Religion ist ein weites Feld, sie ist nicht unbedingt einheitlich. Ein paar Sachen, wie die Fünf Elemente, Qi, Yin und Yang oder das Tao, sind dem gemeinsam. Aber sonst gibt es auch eine große Vielfalt von unterschiedlichen Interpretationen, Ansichten und Unterströmungen im religiösen Taoismus.
Joris: Das wusste ich zum Beispiel gar nicht. Du hast jetzt von den 3 Schätzen gesprochen, also dem Körper und dem Qi und dem Bewusstsein, und meines Wissens kann man diese 3 Schätze kultivieren, indem man Qigong praktiziert. Was ist denn Qigong überhaupt?
Konstantin: Qigong als Begriff gibt es noch nicht so lange, er wurde erst nach dem Zweiten Weltkrieg, also als Mao die chinesische Gesellschaft umgebaut hat, als Zusammenfassung vieler traditioneller Methoden geprägt und lässt sich ungefähr mit „Qi-Methode“ oder „Qi-Arbeit“ übersetzen. Ein ähnliches Wort kennen wir auch aus dem Kung Fu: Kung Fu bedeutet nicht Kampfkunst, das würde Wu Shu heißen, sondern die Fähigkeit. Wenn du jetzt zum Beispiel gut Geige spielst, dann hast du Kung Fu, dann hast du eine Fähigkeit, die du über lange Zeit durch regelmäßigen Einsatz entwickelt hast. Es steckt auch das Wort Zeit in Kung – nicht Arbeit im Sinne „jetzt muss ich 12 Stunden durchziehen, bis ich nicht mehr kann“, sondern eher im Sinne einer entspannten, regelmäßigen Praxis. Im Deutschen bedeutet dieses Wort Praxis, dass man etwas praktiziert, und dass diese Praxis ein Teil deines Lebens ist. Wenn du das machst, dann entwickelst du Fähigkeiten.
Joris: Und das steckt auch im Qi Gong drin? Also Energie-Praxis?
Konstantin: Genau, Energie-Praxis.
Joris: Wie sieht es denn aus, wie würdest du die Qigong-Praxis beschreiben?
Konstantin: Die Gesamtheit der Methoden, die traditionell überliefert sind – einige sind auch neuer, sie basieren ja immer auf einigen wenigen Prinzipien – würde ich so beschreiben: Du machst etwas mit deinem Körper, mit deiner Energie, und mit deinem Geist, und zwar im Einklang. Zum Beispiel: Ein wichtiger Schritt im Qigong, auch in der Meditation, ist, „eintausend Gedanken zu einem“ zu machen. Wenn jemand z.B. auf TikTok unterwegs ist, dann hat er währenddessen vermutlich eine Million Gedanken und wird innerhalb kürzester Zeit erschöpft sein. Er ist nach dem Schauen nicht mehr so kreativ und kann sich auch nicht mehr angenehm fließend auf etwas fokussieren. Deshalb ist eben der erste Schritt, eintausend Gedanken zu einem zu machen. Das war auch schon vor Tausenden von Jahren so.
Und dann nimm einfach eine Übung wie die Treppe rückwärts hochzugehen. Auch das ist eine Qigong- Übung. Denn was passiert da, wenn du die Treppe rückwärts gehst? Du musst dich konzentrieren, du hast keine Zeit für andere Gedanken, du musst im Körper sein, du muss auch nach hinten denken, was du normalerweise nicht machst. Du schaffst eine Verbindung von den Fersen bis zum Kopf. Das ist gut fürs Gehirn, sagen wir in der chinesischen Medizin, und für die Nieren. Ja, und vermutlich wirst du auch noch deinen Atem rhythmisieren. Die Übung zwingt dich, drei Sachen sehr genau zu machen: Geistig bei der Sache zu sein, deinen Körper wahrzunehmen, und auf deine Atmung zu achten. Das ist eine gute Qigongübung.
Davon gibt es natürlich viele, und da gibt es auch eine Theorie dahinter, nämlich die Theorie von den Leitbahnen, vom Menschen zwischen Himmel und Erde, und von den 5 Elementen. Das sind Modelle, die Phänomene, die über 1000 Jahre hinweg beobachtet wurden, zusammenfassen zu einem „ kybernetischen Beschreibungsystem“. Man kann das beschreiben, mit Begriffen markieren und hat dann ein Modell. Das ist sehr wissenschaftlich und sehr praktisch, denn es kommt aus der Erfahrung. Und auf diesem Wissen, welches auch in der chinesischen Medizin angewendet wird, basiert Qigong. Das Modell bestätigt sich, wenn man es beachtet. Wenn man es so umsetzt, wie es beschrieben wird, dann erfährt man die entsprechenden Effekte, und die sind umso wirksamer, je mehr, je genauer und je regelmäßiger man praktiziert.
Joris: Was sind denn solche Effekte? Wenn dich jetzt jemand fragen würde, „Konstantin, ich will gern Qigong machen, aber ich wüsste gar nicht wozu; klar kann ich rückwärts eine Treppe hochlaufen, aber was hätte ich denn davon“, was würdest du ihm antworten?
Konstantin: Da würde ich erstmal sagen: „Mach‘s mal und schau mal“. Wir sind ja in einem Erfahrungs- system, also bist du aufgerufen zu probieren, zu spielen und Erfahrungen zu machen. Man sagt, das System ist am Anfang, in der Mitte und am Ende gut. Gleichzeitig gibt es auch dieses Fernziel, vielleicht die Erleuchtung, wenn man sich es zutraut. Gerade als junger Mensch sollte man da nicht niedrig stapeln, sondern eher ein bisschen hoch stapeln.
Wenn wir üben, haben wir unmittelbar positive Effekte und Veränderungen, die man erfahren kann. Die Erfahrung ist natürlich für jeden anders. In Wirklichkeit haben wir gar nicht die richtige Sprache für diese Beschreibung, weil sich unsere Sprache meistens auf äußere Gegebenheiten und nicht auf innere Prozesse bezieht. Ich kann ja mal von mir ausgehen, was passiert, wenn ich das mache: Ich bin plötzlich viel mehr im Hier und Jetzt, ich bin angekommen, fokussiert, konzentriert, ich spüre eine tolle Aufrichtung. Ich bin mehr im Gefühl als im Kopf und bei den Gedanken. Was willst du noch?
Joris: Da kann man bleiben!
Konstantin: Da kann man schon bleiben. Wie gesagt, das kannst du alles selber ausprobieren.
Joris: Ich habe mit meinem Papa gesprochen und seine Vermutung war, dass ich einen Test in der Schule, bei dem man 12 Minuten so weit wie möglich laufen muss, unter anderem deswegen gut bestanden habe, weil ich zum Qigong gehe. Qigong hat bei mir sehr positive Effekte auf mein körperliches Wohlgefühl und wahrscheinlich auch auf die Art, wie ich auftrete.
Konstantin: Auf jeden Fall darauf, wie du auftrittst, aber auch auf deine Leistungsfähigkeit. Das geht nicht nur dir so. Es gab in der Schweiz Untersuchungen, bei denen man Menschen hat regelmäßig laufen lassen, während andere Menschen einfach nur Atemübungen im Stil von Qigong gemacht haben. Die Fitness, die sie hatten, war teilweise bei den Leuten, die Atemübungen gemacht haben, statt zu laufen, besser.
Joris: Hoch spannend!
Konstantin: Ja, das ist hoch spannend, und ich kenne auch Menschen, die kommen hierher und sagen, „Warum fühle ich mich nach dem Qigong so gut? Ich fühl‘ mich ja wie in meinen alten Jugendzeiten, ich will wieder springen und kicken“. Mit 60 Jahren sagen sie das, „wow und dabei haben wir gar nicht so viel Action gemacht“. Sichtbar passiert ja nicht so viel. Wir machen schöne Bewegungen, aber die Kraft sammelt sich im Inneren.
Das ist das, was du beschreibst, das ist Qi. Du hast einfach gutes Qi. Jeder Athlet kennt das. Du kannst trainieren, wie du willst, aber wenn du nicht in Form oder energetisch nicht gut drauf bist, dann wird deine Leistung an dem Tag auch nicht besonders gut sein. Diese Schwankungen kennen wir alle.
Was Qigong macht, ist, deinen Körper zu regulieren, dein Bewusstsein und deine Energie, und sie mit der Zeit auf eine andere Stufe zu bringen, also tatsächlich in eine andere Konfiguration. Ich nehme immer gerne ein Beispiel aus der Physik: Nehmen wir die Glühbirne, die ganz normale, von Edison. Sie verstrahlt ja verstreutes Licht. Wenn du jetzt dieselbe Energie nimmst und daraus ein kohärentes Licht machst, also einen Laserstrahl, in dem alle Photonen kohärent miteinander schwingen, dann hast du ein System neu organisiert. Dann kannst du mit derselben Energie den Piloten in einem Flugzeug in ein paar Kilometern Höhe blenden, das würdest du mit einer Glühbirne gar nicht schaffen. Du könntest mit dem Laser sogar Stahl zerschneiden.
Die meisten Menschen, die so durchs Leben stolpern, befinden sich eher im Zustand der Glühbirne. Viele Dinge im Alltag bringen dich eher in den Zustand der Glühbirne. Eine Übung, wie die Treppen rückwärts hoch- oder runterzulaufen, oder Qigong-Übungen, bringen dich eher in diesen Laserstrahl-Zustand. Natürlich kann es sein, dass wir immer wieder in den Zustand der Glühbirne zurückgeworfen werden, denn dieser Zustand ist äußeren Umständen unterworfen. Ein Laserstrahl entsteht es in der Natur nicht einfach von selbst.
Joris: Was müssen wir denn dafür Investieren, wie der Laserstrahl zu sein?
Konstantin: Investieren müssen wir Zeit, also eben Gong. Das ist wie beim Zähneputzen. Damit deine Zähne gesund bleiben, musst du sie regelmäßig putzen. Wenn du dann deine weißen und gesunden Zähne siehst, weißt du, warum du das gemacht hast. So ist es mit dem Qigong auch. Du investierst erstmal ein bisschen Energie, um mehr herauszubekommen. Die Leute legen ihr Geld in Aktien an, vielleicht verlieren sie, vielleicht gewinnen sie. Aber mit Qigong gewinnst du immer, denn das kann dir keiner mehr wegnehmen. Diese Fähigkeiten, die du da erwirbst, die hast du für immer. Dein Konto können sie sperren, aber dein Qi-Konto in deinem Unterbauch, in deinem Dantian, das kann dir keiner wegnehmen, und wenn du die Kraft brauchst, wenn du in schwierigen Lebenssituationen bist, kannst du von diesem Konto zehren.
Joris: Ich habe einer Freundin von mir erzählt, dass ich noch nie vom Qigong losgegangen bin und gedacht habe, dass es schlecht war oder dass ich mich damit unwohl gefühlt habe. Im Voraus überlege ich häufig vielleicht nicht hinzugehen, denn dann müsste ich plötzlich präsent und bewusst sein, mich damit auseinandersetzen, was im Moment in meinem Leben abgeht. Die Glühbirne zum Laserstrahl fokussieren. Aber der Laserstrahl ist immer ‚cutting edge‘ und falls das jetzt ein sehr technischer Begriff war, er fühlt sich einfach immer sehr wohl an.
Wenn jetzt die Glühbirne der Alltagszustand und der Laserpointer Qigong ist, was wäre dann Meditation – die Glühbirne auszuschalten?
Konstantin: Nein, so würde ich das nicht sehen. Qigong und Meditation sind ja nicht unterschiedliche Dinge. Qigong ist Meditation in Bewegung.
Normalerweise fällt das Bewegen den Menschen leichter, denn die Bewegung können sie verfolgen. In der Meditation musst du deinen Körper ruhig halten, hast du vielleicht noch die Atmung, aber ansonsten bist du mit dir selbst und deinem Geist beschäftigt. Die erste Stufe in der Meditation ist ja auch eintausend Gedanken zu einem zu machen. Genau wie beim Qigong bist du sehr achtsam, indem du zum Beispiel deine Atemzüge zählst.
Das fällt manchen leichter und anderen schwerer, wiederum andere können es überhaupt nicht. Der Körper ist dann nicht bereit für diese Arbeit der Meditation, er kann den Geist nicht in seinem Erkenntnisprozess unterstützen. „Da juckt‘s da klemmt’s, jetzt bin ich nervös, jetzt bin ich schläfrig. Ich hab gar nicht die Kraft zu sitzen“, usw…
Joris: Eintausend Ausreden…
Konstantin: Es ist ein Übergang. Im Qigong und auch in der Meditation ist die erste Stufe, eintausend Gedanken zu einem machen. Sich innerlich zu organisieren und dann über die Übungen Körper, Energie und Bewusstsein zu regulieren, sodass sie gesund und gut sind. Gesundes Qi zeigt sich, indem du optimistisch bist und dich des Lebens freust. Das kannst du bei kleinen Kindern sehen, sie brauchen keinen Grund, um froh zu sein. Das ist die Definition von Lebensenergie: Es ist freudvoll, am Leben zu sein, und das macht Qigong. Es bringt dich wieder in Kontakt mit dieser Fähigkeit, mit dieser Qualität in dir.
Am Anfang bewegst du dich äußerlich, aber innerlich wirst du ruhig. Das nennt sich „äußere Bewegung, innere Ruhe“. Wenn du das eine Weile gemacht hast, dann nimmst du den Körper ganz anders wahr und kannst auch Energiebewegungen spüren. Du hattest mich ja gefragt hast, warum ich damals angefangen habe zu praktizieren und weitergemacht habe. Tatsächlich habe ich irgendwann erfahren, dass die Sachen, die in den Büchern beschrieben sind, tatsächlich kommen. Du spürst diese Energieflüsse und die Energiepunkte, die in der Akupunktur, in der Chinesischen Medizin, verwendet werden. Wenn du das spürst, wird die Bewegung immer unwichtiger.
Dann kannst du alleine die Energie bewegen, und das nennt sich „äußere Ruhe, innere Bewegung“. Deswegen ist Meditation, die äußere Ruhe, nichts Starres, sondern ist im Inneren extrem lebendig. Dann bist du mit der Meditation auf dem richtigen Weg. Sonst kannst du jahrelang versuchen, dich irgendwie tot zu stellen und unter Kontrolle zu kriegen, bis du zu einem Kontrollfreak wirst. Dann kommst du aber nicht wirklich weiter, denn der Zwang, den du dadurch ausübst, hat mit deinen natürlichen Gegebenheiten nichts zu tun. Deswegen gibt es dieses Kriterium, dass der Weg ist am Anfang gut ist, in der Mitte und auch am Ende. Du merkst einfach, dass das, was du tust, dir guttut.
Natürlich gibt es immer wieder Schwierigkeiten, aber das gehört dazu, auch das ist normal. Wenn du übst, dann werden dein Körper und deine Energie harmonisiert und auf einer tiefen Stufe umgebaut. Sie werden besser, wie der Laserstrahl. Sie werden besser organisiert, sie funktionieren besser, und dann passiert etwas, natürlich nach einigen Jahren der Praxis, innerhalb dessen du die Erfahrung der echten Stille machst. Das ist so ein Endpunkt.
Und wenn du die echte Stille hast, dann ist das ein komplett anderes „Game“. Dann hast du Zugang zu ganz anderen Bewusstseinsebenen. Du verlässt die normale Ebene, die dem Alltags-Menschen zugänglich ist, und hast Zugang zu einem sehr tiefen Geist in dir. Diese echte Stille, die ist eben nicht gleich der Stille, die du als Anfänger erfährst, wenn du dich konzentrierst. Die Stille, die du bekommst, wenn du eintausend Gedanken zu einem machst, beinhaltet ja immer noch einen Gedanken, eigentlich sogar zwei: Nämlich den einen Gedanken an das Objekt deiner Meditation, zum Beispiel die Atmung, und den anderen Gedanken, der kontrolliert, ob du immer noch bei der Sache bist. Das ist der Weg des Anfängers.
Wenn du jetzt die Treppe rückwärts hoch gehst oder im Kung Fu Kloster, wie die Shaolin, auf irgendeiner kleinen Plattform stehst und neben dir das Feuer oder heißes Wasser oder der Abgrund ist, was meinst du, wie du dich da konzentrierst. Dann bist du aber hellwach! Früher hat man durchaus sehr rigorose Methoden angewandt. Dann merkst du, wie wach du sein kannst und dann werden natürlich eintausend Gedanken zu einem. Wenn du allerdings eine echte Stille hast, dann stehst du da auf diesem kleinen Balken, um dich herum ist der Abgrund und du bist überhaupt nicht beunruhigt. Du bist in echter Stille und dein Körper funktioniert so, dass es dir anstrengungslos möglich ist, dort zu stehen. Das ist echte Stille. Vielleicht ist dein Körper sogar so entspannt, als ob du schlafen würdest, dein Geist ist aber extrem klar.
Das sind Zustände einer höheren Organisation, die dem Menschen möglich ist. Aber natürlich ist Arbeit notwendig, um sie auch zu verwirklichen, um das zu manifestieren. Ja, wir alle sind Buddhas, wir alle sind erleuchtet, wie man im Buddhismus sagt, aber wir realisieren das nicht.
Joris: Ist das etwas, das du im Alltag erlebst, diese tiefe Stille?
Konstantin: Ja. Das war zwar nicht immer so, aber ich kann mittlerweile relativ leicht da hinein gehen und kann mir jederzeit im Alltag Inseln schaffen. Allerdings ist es nicht „ entweder – oder“, und man ist immer da, wenn man es einmal erfahren hat. Die richtige, echte Arbeit beginnt ja danach. Deswegen sagt man „vor der Erleuchtung Wasser schleppen, nach der Erleuchtung Wasser schleppen“. Wie integrierst du das in deine alltäglichen Handlungen?
In der Höhle alleine sitzen und meditieren kann jeder, aber im Alltag, mit all den Hindernissen, den Interaktionen, der Kommunikation, das ist etwas anderes, und das zu entwickeln, ist die große Herausforderung. Nicht mehr getrieben zu sein und nicht mehr nach äußeren oder inneren Objekten zu greifen, mit denen du dich identifizierst. Dieses Ping-Pong Spiel von „Ich bin der und der“ oder „das will ich haben oder nicht haben“, in den Hintergrund treten zu lassen und stattdessen authentisches Sein, wirklich aus deiner Mitte, aus deinem inneren Licht kommen zu lassen. Das ist eine ganz andere Seins-Ebene.
Das lohnt sich und ich denke, dass jeder Mensch danach strebt, ob er es weiß oder nicht, und irgendwann, früher später, ist jeder dran.
Joris: Ich selber würde sagen, dass ich durch Meditation und dann auch Qigong die Fähigkeit oder auch das Geschenk bekommen habe, mich im Unterricht ziemlich gut konzentrieren zu können, wenn meine Mitschüler:innen Vorträge halten oder meine Lehrer:innen etwas erzählen. Was würdest du sagen, rückblickend auf deine Schulzeit: Wie würde deine momentane Bewusstseins-Stufe dein Schulleben verändern?
Konstantin: Ich habe mir diese Frage noch nie gestellt, da ich selten zurückschaue, aber ich denke es wäre sehr ähnlich zu dem, wie du das beschreibst. Ich hätte, glaube ich, einfach Spaß, wäre entspannter und würde die Zeit mehr für meine eigenen Ideen nutzen. Und ich würde vielleicht nicht alles so ehrgeizig mitmachen, weil ich mittlerweile einen besseren Kompass habe, der mir sagt, was wirklich für mich zählt. Die Schule ist nützlich, sie gibt ein großes Angebot. Du bekommst deine Ausbildung, bekommst Wissen, und das kostenlos. Das ist ja was Tolles. Die Frage ist nur, was man daraus macht.
Ich lerne bis heute, mit Qigong bleibe ich irgendwie frisch. Ich habe tatsächlich Spaß am Lernen. Lernen in dem Sinne, dass es etwas Kreatives ist und dass es mit einem selber zu tun hat. Dann hat man eine gute Energie, wie du sagst, man kann sich leicht konzentrieren, man ist freudvoll bei der Sache. Ich finde es unglaublich spannend, neue Sachen zu lernen.
Joris: Dann noch eine letzte Frage: Was würdest du sagen, kann die westliche Kultur von der östlichen Kultur lernen?
Konstantin: Also erstmal muss ich darauf hinweisen, dass das so, wie du es ausdrückst, sehr allgemein gefasst ist. Heute ist die östliche Kultur wahrscheinlich nicht mehr die östliche Kultur, von der wir im Alltag sprechen. Wir müssen erkennen, dass sich auch diese Kulturen in die Richtung entwickelt haben, in die wir uns alle bewegen; Soziale Medien, kapitalistische Massenproduktion, usw… Diese Kultur setzt sich auch dort immer mehr durch.
Aber da sind natürlich schon interessante Punkte, zum Beispiel vernetztes Denken. Nicht nur monokausales Denken, nicht nur entweder-oder, sondern sowohl-als-auch. Eine ganzheitliche Sicht auf den Menschen, nicht eine, in der Wissenschaft und Alltag getrennt voneinander existieren. Erkenntnis ist nur dann für den Einzelnen relevant, wenn sie einen Lebensbezug hat, wenn er sie in seinem Leben umsetzen kann. Ein Gegenbeispiel wäre der der Professor, der in irgendwelchen Theorien schwelgt und einem erklärt, wie ethisch und philosophisch man leben muss, während er das selber nicht vorlebt.
Was wir also von den östlichen Religionen oder Gedanken übernehmen können, von der Philosophie, der Kultur, vom Buddhismus, Taoismus, Zen-Buddhismus in Japan oder auch dem Shintoismus, ist diese Erfahrung der Ganzheit. Auch die mythische Komponente. Was wir daraus machen, ist dann eine Fortführung der Aufklärung, also dem westlichen Konzept, wie wir es bisher hatten: Habe den Mut, dich deines Verstandes zu gebrauchen.
Joris: Sapere Aude!
Konstantin: Ja genau, dich deines Verstandes zu bedienen. Wenn wir jetzt das traditionelle Wissen aus dem Osten dazu nehmen, würden wir vielleicht sagen: „Habe den Mut, dich deines Geistes, auch des Verstandes als Teilmenge des Geistes, deiner Energie und deines Körpers zu bedienen, und zwar als unabhängiger Mensch, der an sein eigenes Potenzial glaubt – in der Verbundenheit mit den großen Energien mit den großen Kräften, mit dem Universum.“
Joris: Für mich ist es sehr aufschlussreich, mich mit dir zu unterhalten und ich bedanke mich, dass du dir diese Zeit genommen hast.
Konstantin: Vielen Dank für das Interview.
Wandle Muskeln und Sehnen, bewege Dein Qi – neuer Qigong-Einsteigerkurs
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An diesem Wochenende kannst Du Dein Leben mit der wunderbaren Erfahrung der Einheit von Stille und Lebendigkeit bereichern und danach in Deinen Alltag mitnehmen. Dabei helfen Dir wirksame Methoden, die Konstantin Dir an diesem Wochenende vermitteln wird:
Übungen für Wirbelsäule und Zentrum (Dantian),
Spontanes Qigong – freier Fluss der Lebenskraft,
stille Übungen der taoistischen Meditation.
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