Keiko – trainieren, trainieren, trainieren
Ich habe wohl früher hier an der einen und anderen Stelle zumindest angedeutet, dass ein Buch über Aikido nie eine Vorstellung vom Training geben kann, oder von auch nur einzelnen Aspekten von Aikido und dessen Inhalt. Das Buch kann von Wert sein als Einführung für den, welcher sich fragt, was Aikido sein kann, da riskiert es aber, ein wenig irreführend zu sein, da es nicht das Erlebnis des Trainings vermitteln kann. Das Buch kann auch eine Nebenbeilektüre für den wissenshungrigen Aikidoausübenden sein – und in diesem Fall besteht das Risiko, dass er dem Denken eine Sonderstellung einräumt, in gewisser Hinsicht dem physischen Training übergeordnet. Nichts könnte falscher sein.
Japanische Lehrer pflegen auffällig restriktiv zu sein, wenn es darum geht, über die Philosophie und die Prinzipien des Aikido zu sprechen, und ebenso können sie oft auf direkte Fragen was das und jenes wohl bedeuten kann oder warum man so oder so macht, ganz einfach ungefähr antworten, dass „es nur darum geht zu trainieren“. Es liegt ein Gedanke darin, um nicht zu sagen eine ganze Philosophie. Der Mensch ist ein ganzes Wesen – Intellekt und Körper sind nicht isoliert voneinander, ebensowenig ist der eine ausgeschaltet, wenn der andere arbeitet. Wenn wir trainieren, gibt es die ganze Zeit Gedanken, die analysieren, deuten, forschen, Schritt für Schritt verstehen. Aber wenn wir lesen oder auf unseren Hinterteilen sitzen und Aikido erörtern, da hat der Körper nichts zu tun – er wird ausgeschlossen, kann mit nichts anderem beitragen als dem trainingslüsternen Jucken, das jeder Aikidoausübende kennt und schon am Tag nach einer Trainingsstunde erlebt. Deshalb gibt es immer mehr zu trainieren, auch wenn die abstraktesten und theoretischsten Gedanken über Aikido den Geist beschäftigen.
Keiko ist das japanische Wort für Training, das in allen Budoarten verwendet wird. Es wird mit zwei kanji geschrieben, die gemeinsam ganz einfach eben als Training oder Studium übersetzt werden, aber mehr erfährt man – wie so oft bei kanji – wenn man diese Schriftzeichen etwas näher betrachtet. Das erste bedeutet nachdenken oder sich erinnern, und das andere bedeutet alt, das was es lang gegeben hat. Man soll über das Alte nachdenken, über die Tradition kontemplieren. Also ist es so, dass das Wort, obwohl es gerade auf physisches Training angewendet wird, in seiner Etymologie ganz klar auf den Gedankenprozess abzielt. Mit anderen Worten wird unterstrichen, dass es eben durch das physische Training ist, dass man in den großen Gedanken Klarheit gewinnen kann.
Natürlich haben auch theoretische Studien ihren Platz, wenn nicht aus anderem Grund, dann weil unsere Neugierde – der beste Wegführer den wir in diesem Leben bekommen haben – uns dahin leitet. Wir dürfen nur nicht vergessen, dass es zuallererst in und mit dem Training im Dojo ist, dass solche Einsichten und solches Wissen an ihren Platz fallen und zum Ausdruck kommen. Erst da werden sie begreiflich.