Das Element Erde – In der Mitte ruhen
Teil 5 der Artikelserie über die Fünf Elemente, von Miriam Brandt und Konstantin Rekk, 25. September 2025
Ah, der goldene Spätsommer! Warme, nach Heu duftende Luft – im Wald vielleicht schon mit einem Hauch von Pilzaroma –, Obstbäume voller saftiger Früchte… Nach der feurigen Begeisterung in Teil 4 unserer Artikelserie sammeln wir uns nun im stabilen Zentrum und widmen uns der Wandlungsphase Erde (chinesisch: Tŭ, Tuo 土).
Hier erfährst Du:
- wie die Wandlungsphase Erde in der Natur und im Menschen wirkt
- was Menschen des „Erd-Typs“ ausmacht
- was passiert, wenn Deine Verwurzelung in der Erde geschwächt ist
- und wie Du das Erdelement im Alltag und durch spezielle Qigong-Übungen stärken kannst.
Wie die westliche „Mutter Erde“ ist auch im daoistischen System die Erde Ursprung und Mittelpunkt. Sie symbolisiert ein stabiles Zentrum, ein Zuhause, eine Kraftquelle. So wie das Zentrum eines Rades die Speichen trägt, stabilisiert die Erdenergie die Wechselwirkungen zwischen den Elementen.
Die Jahreszeit der Erde ist der Spätsommer, traditionell die Zeit der Erntedankfeiern. Jetzt ist die Ernte eingebracht und die Scheunen sind gefüllt, und wir genießen geselliges Zusammensein bei üppigem Essen. Wie die Strohballen auf den Stoppelfeldern sind die Farben des Erdelements Gelb oder Gold sowie Braun- und Beigetöne.
Da die Erde alle anderen Elemente verbindet und harmonisiert, sind auch die Übergangszeiten dem Erdelement zugeordnet, im Jahres- wie im Tagesverlauf.
Im Nährzyklus folgt die Erde auf das Feuer: Die Asche des Feuers und die wärmeerzeugende Transformation von Kompost düngen die Erde. Im Kontrollzyklus kontrolliert die Erde das Wasser – ein Damm hält die Flut zurück. Ihrerseits wird die Erde vom Holz im Zaum gehalten (vielleicht erinnerst Du Dich an die Geschichte vom schwangeren Bürgermeister aus Artikel 2 in unserer Serie).
Das Element Erde im Menschen
Die Erde ist der Grund unter unseren Füßen, der uns Standfestigkeit verleiht. Gut geerdet zu sein heißt: Ich habe eine starke Mitte, die mir Sicherheit gibt und von der aus ich entschlossen handeln kann. Wenn ich mich in dieser Mitte geborgen fühle, werde ich gut für mich selbst sorgen und habe eine stabile Grundlage, um Zusammengehörigkeitsgefühl mit anderen aufzubauen.
In der menschlichen Lebensspanne ist das Erwachsenenalter die Zeit der Erde: Wir werden sesshaft, genießen die Früchte unserer Bemühungen und haben die Reife, um einen klaren „Stand-Punkt“ einnehmen zu können.
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Die Organe des Erdelements: Nahrung für den Körper
Dem Erdelement zugeordnet sind die Organe (oder Funktionskreise) Magen und Milz. In der TCM gelten sie als energetische Mitte des Körpers. Im Sinne eines „Stoff-Wechsels“ wandeln Magen und Milz die Nahrung in Qi um und verteilen es im Körper. Im Reich des Herzkaisers sind sie die Verwalter von Kornkammern und Speicher, die den ganzen Organismus mit Energie versorgen.
Die Milz gewinnt das Qi aus der Nahrung und gilt als Quelle des nachgeburtlichen Qi. Sie hat auch die wichtige Funktion, mit ihrem anhebenden Qi die Organe an ihrem Platz zu halten. Zusammen mit der Leber kontrolliert die Milz den Blutfluss, hält das Blut in den Gefäßen und trägt zur Blutbildung bei. Der Magen nimmt die Nahrung auf, speichert und transformiert sie.
Dem Erdelement ist auch das „Fleisch“ zugeordnet – also Muskeln, Fett- und Bindegewebe. Das der Erde zugeordnete Sinnesorgan sind die Lippen.
Stoff-Wechsel auch auf geistiger Ebene – Yì 意 und Sī 思
”Wenn das gerichtete Denken (Yi) bleibt, entsteht Wille (Zhi). Wenn der Wille (das Denken) aufbewahrt und sich verändert, spricht man von Nachdenken Si.”
(Aus dem Klassiker der Akupunktur ab 2-1. Jhd. v. Chr.: Ling Shu, Kap. 8)
Im übertragenen Sinne sind Magen und Milz auch dafür verantwortlich, äußere Eindrücke und Informationen zu „verdauen“ und diese gemäß der inneren Vorstellungen und Absichten zu prüfen.
Wir können Erfahrenes nur auf gesunde Weise integrieren, wenn uns die Erde die Muße und Beharrlichkeit gibt, Dinge zu durchdenken. Deshalb ist Si – nachdenken, überlegen, nachsinnen – die Emotion der Erde.
Interessant ist auch die Rolle der Erde als Vermittlerin zwischen Wille und Umsetzung: Sie nimmt den Willen der Niere auf, etwas zu erreichen, und gibt ihn nach gründlicher Prüfung an die Leber bzw. das Holzelement zur Ausführung weiter.
Die Milz ist der Sitz des geistigen Aspekts der Erde Yi – der Absicht, des zielgerichteten Denkens, der Vorstellungskraft – und ist somit die Instanz, die neues Wissen und Eindrücke verarbeitet und integriert. Die Neugier, der Hunger nach neuen Informationen, ist damit ein charakteristischer Ausdruck des Milz-Qi.
Beim Lernen, Studieren und Nachdenken ist das Milz-Qi besonders gefragt. Doch zu viel des Guten führt zu Symptomen, die man früher im Volksmund die Buchhalterkrankheit nannte: allgemeine Energielosigkeit, schwache Verdauung, träges Körpergefühl, blasse Dünnhäutigkeit und Nebel im Kopf – der Brain Fog. Diese Störung des energetischen Gleichgewichts ist heutzutage sehr verbreitet und wird als Milz-Qi-Schwäche bezeichnet. Sie kann mit den Mitteln der Traditionellen Chinesischen Medizin und des Medizinischen Qigong gut behandelt werden.
Bevor sich jedoch das Vollbild der Milz-Qi-Schwäche ausprägt, empfehlen wir, leicht verfügbare Gegenmittel zu nutzen und für eine gute Work-Life-Balance zu sorgen: den Kreislauf anzuregen mit körperlicher Bewegung an frischer Luft, sich zu nähren mit wärmenden Getränken und Speisen, den Kopf frei zu kriegen und den Energiefluss anzuregen mit Qigong. Mehr dazu weiter unten.
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Gut verwurzelt in der Mitte: Das harmonische Erdelement
Eine starke Erde gibt uns Halt im Leben und die Möglichkeit, aus einem guten Zentrum heraus zu agieren. Damit haben wir die Fähigkeit, uns selbst zu mögen und uns selbst und anderen gegenüber fürsorglich zu sein. Wir können uns selbst vertrauen, zeigen uns ehrlich und aufrichtig nach außen. Von einer starken Mitte aus können wir uns vertrauensvoll und mit Mitgefühl anderen Menschen zuwenden. Ein gesundes Erdelement kann neue Erfahrungen gut verarbeiten und Störungen im Inneren wie im Äußeren ausgleichen.
Wenn die Mitte verloren geht
Sind wir aus der Mitte geworfen, kann sich das körperlich in Verdauungsstörungen, Ödemen, Heißhunger oder Appetitlosigkeit äußern. Möglicherweise nutzen wir Essen auch als Ersatzbefriedigung: Wenn wir dauerhaft zu wenig neue Eindrücke und Informationen bekommen, ist die Milz unterfordert, Langeweile stellt sich ein. Als Antwort entsteht häufig ein Verlangen nach Stoffen, die die Milz verarbeiten kann – die meisten von uns kennen den Heißhunger auf Süßes… Körperlich manifeste Störungen im Erdelement sind zum Beispiel Fett- und Magersucht.
In der TCM sagt man gemäß dem Kontrollzyklus „Holz greift die Erde an“: Dauerhafter Ärger und Stress schlagen uns buchstäblich auf den Magen. Kann das Erdelement sich nicht mehr ausreichend sammeln und stabilisieren, führt das zu Erschöpfung und Konzentrationsmängeln.
Auf emotionaler Ebene äußert sich die gestörte Erde in fehlendem Urvertrauen, Selbstzweifeln und der Angst, nicht ausreichend genährt zu werden. Wenn wir uns selbst nicht genug Anerkennung geben können, bemühen wir uns verzweifelt um Zuspruch von außen. Es kann auch eine übertriebene Fürsorge für Andere entstehen: Menschen mit Helfersyndrom opfern sich auf, sorgen aber zu wenig für sich selbst.
Auf geistiger Ebene sind wir nicht in der Lage, unsere Gedanken zu fokussieren, denn wenn die Milz erschöpft ist, verliert das Yi, das zielgerichtete Denken, sein Zuhause. Dann können wir uns nicht konzentrieren, kreisende Gedanken hindern uns am Einschlafen, und wir sind gefangen in fruchtlosem Grübeln und Besorgtsein.
Der „Erd-Typ“
Erd-Typen sind häufig etwas fülliger gebaut. Sie sind bodenständige Genussmenschen und hervorragende Gastgeber. Menschen starkem Erdelement haben eine gelassene Ausstrahlung, sie ruhen in sich und sind auch schwer aus der Ruhe zu bringen. Sie haben ein gutes Gedächtnis und können sich gut konzentrieren. Erd-Typen versorgen, „nähren“ und beschützen andere Menschen, sind hilfsbereit, fürsorglich und verlässlich. Durch ihre Fähigkeit, Beziehungen zu pflegen und Konflikte auszugleichen, sind Menschen dieses Typs häufig in sozialen Berufen zu finden.
Die Schwäche von Erd-Menschen: Sie neigen zum Grübeln und sind anfällig für Krankheiten der Erd-Organe wie Verdauungsstörungen, Bindegewebsschwäche und Muskelentzündungen.
Das Element Erde im Qigong
Spezielle Qigong-Übungen für das Element Erde stabilisieren den Energiefluss im Körper und fördern die Umwandlung von Nahrung und Flüssigkeit in Qi und Blut. Auch unterstützen sie die Verdauung und den Stoffwechsel.
Grundsätzlich ist die Erde aber in allen Übungen enthalten: Bereits wenn wir den Qigong-Stand einnehmen, verankern wir die Füße im Boden, setzen uns in die Leisten und senken das Qi zur Erde. So entwickeln wir Stehvermögen – körperlich und geistig. Alle Übungen mit Dantian-Bezug, dem Kraftzentrum im Unterbauch, entwickeln Deine Mitte und helfen Dir, auch im Alltag immer mehr in Dir zu ruhen.
Tausend Gedanken zu einem machen
Wir sagen auch: “Lieber ein bewusster Gedanke als 10.000 umherirrende Gedanken.“
Die geistige Komponente des Erdelements, das zielgerichtete Denken Yi, kannst Du durch ruhige Konzentration und bewussten Einsatz deiner Absicht stärken. Im Sinne des Spruchs „die Absicht führt, das Qi folgt, der Körper führt aus“ übst Du idealerweise in harmonischer Einheit von Absicht und Qi. Das bedeutet: Führe die Übungen nicht mechanisch aus, sondern setzte Dein Denken gezielt ein, um den Qi-Fluss (oder am Anfang Atmung und die Vorstellung) im Inneren im Einklang mit der Bewegung zu lenken. Dadurch verringern sich Zerstreutheit und Fahrigkeit und das Qi fließt dahin, wo es hin soll. Mit der Zeit entwickelst Du einen natürlichen Fokus, der Dir hilft, Deine Mitte auch im geistigen Bereich zu finden und zu bewahren.
Ein Beispiel für eine Übung, die die Funktionskreise der Erde – Milz und Magen – stärkt, ist die Übung “Den Himmel stützen, die Erde drücken” im Nei Yang Gong oder in den “8 Brokaten”.

Das Daoyintu, Zeichnung von Daoyin und Qigong Übungen aus den Mawangdui-Gräbern aus dem 2. Jhd. v.u.Z. Links außen, zweite Figur von oben zeigt die klassische Übung „Himmel stützen, Erde drücken“.
Was nicht alle wissen: Es gibt auch Qigong im Gehen. Das Qigong-Gehen ist eine sehr effektive Methode um Körper, Qi und Geist zu erfrischen und zu regulieren. Gerade als Ausgleich zur Kopfarbeit. Um die Qualität des Wandlungsphase Erde besonders zu fördern, empfehlen wir das Milz-stärkende Gehen. Das Qigong-Gehen, das in chinesischen Kliniken außerdem als Krebs-Prävention und Behandlungsunterstützung angewendet wird, kannst Du in der Einzelarbeit und bei den Sommer-Seminaren mit Konstantin Rekk lernen und üben.
Ein wichtiger Akupressurpunkt des Elements Erde ist Magen 36 (Zusanli). Dieser Punkt hilft nicht nur bei Verdauungsstörungen, sondern kräftigt den ganzen Körper, wirkt gegen Abgeschlagenheit und hilft das Qi zu harmonisieren – ein echtes Allround-Talent! Du findest diesen Punkt, wenn Du im Stehen die Handflächen auf die Kniescheibe legst. Dort wo bei lockerer Handhaltung der Ringfinger zu liegen kommt, liegt Zusanli. Der Punkt liegt in der Tiefe: Du darfst ihn also gerne kräftig mit der Faust klopfen.
Was kannst Du selbst tun, um das Erdelement zu stärken?
Essentiell für die Erde in uns ist es, gut für uns zu sorgen: Sich etwas Gutes zu gönnen, heißt, die Mitte zu nähren. Allerdings muss dafür die Intuition entwickelt sein, was wirklich gut für uns selbst ist. Je mehr Du darauf achtest, was Dein Bauchgefühl Dir sagt, desto mehr trainierst Du diese Fähigkeit, und desto mehr kommst Du in Deine Mitte.
Pflege Deine Beziehungen, verbringe Zeit mit Freunden und Familie. Sing doch öfter mal, im Chor oder unter der Dusche – auch das stärkt das Erdelement. Für ein harmonisches Erdelement ist außerdem eine gute Balance zwischen Geben und Nehmen entscheidend. Dazu gehört, dass Du bei Dir bleibst, Dich anerkennst und durchaus mal selbst lobst, aber auch, dass Du Menschlichkeit und Mitgefühl mit Anderen pflegst.
Eine ausgewogene Ernährung ist wichtig für die Erde. Sie sollte mit Genuss, aber nicht mit übermäßigem Essen verbunden sein – warme Mahlzeiten sind dabei am besten. Nimm Dir Zeit, um mit Muße zu kochen und in Ruhe zu essen. Garten- und Handarbeit sind ebenfalls gute Wege, sich zu erden.
Der Sommer neigt sich nun langsam dem Ende zu – das Erdelement kennzeichnet den Übergang vom Yang zum Yin. Bald beginnt in der Natur wie auch im Zyklus der Elemente die Zeit des Rückzugs. Der Herbst ist ja bekanntlich Erkältungszeit, deshalb erfährst Du im nächsten Artikel unter anderem, wie Du über das Metallelement Dein Immunsystem stärken kannst.
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Wandle Muskeln und Sehnen, bewege Dein Qi – neuer Qigong-Einsteigerkurs
Tu Dir was Gutes! Nutze die Chance zum einfachen Einstieg ins Qigong: Unser neuer Qigong-Einsteigerkurs startet am 7. Oktober. Du übst die Grundlagen und lernst die 12 Bewegungen aus der Reihe "Wandle Muskeln und Sehnen, bewege Dein Qi".
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