„Das sind alles Liebespfeile“ – wie Du dank Qigong besser singst und atmest!
Die Stimme – mein Lieblingsinstrument
Die Stimme ist ein Musikinstrument, das wir in der Regel in jedem Augenblick unseres Lebens bei uns oder viel mehr in uns tragen. Denn die meisten Körperteile, die an der Stimmbildung beteiligt sind, sind von außen nicht sichtbar und somit für uns nur erspürbar oder indirekt ertastbar. Unsere Stimme ist untrennbar mit unserem Körper verbunden – der Körper ist das Instrument und sein Zustand wirkt sich unmittelbar auf unsere Stimme und ihren Klang aus. Als Chorleiterin und Gesangslehrerin beschäftige ich mich seit fast 20 Jahren mit der Funktionsweise und den Ausdrucksmöglichkeiten der menschlichen Stimme und seit etwa 15 Jahren fließen meine Erfahrungen als Qi-Gong-Praktizierende in meine Arbeit mit ein und bereichern mein Verständnis des Körpers und somit auch meines Lieblingsinstruments.
Kann man nicht einfach lossingen?
Wozu eigentlich Gesangsunterricht und Stimmübungen – kann man nicht einfach lossingen? Klar, kann man! Es gibt viele „Natursänger“, die instinktiv Ihre Stimme mit optimaler Resonanz einsetzen, bei denen der Atem fließt, die Stimme sich in allen Lagen frei entfaltet und die kein Engegefühl im Hals oder gar „Höhenangst“ kennen. Vielleicht sind das Menschen, die grundsätzlich ein ausgeglichenes Leben haben oder die einfach gut darin sind, sich selbst in einem entspannten Sing-Zustand zu bringen, aber viele andere machen die Erfahrung, dass sie beim Singen oder Sprechen mit ihren stimmlichen Ausdrucksmöglichkeiten an eine Grenze stoßen. Zu viel Krafteinsatz, zu viel Spannung an der einen Stelle, zu wenig an einer anderen, aber auch bestimmte Denkmuster können die Entfaltung der Stimme behindern.
Man könnte auch fragen: „Wozu Qi Gong üben?“ Wenn Du Dich in jedem Augenblick Deines Lebens in einem freudvollen, ausgeglichen, entspannten Zustand befindest – herzlichen Glückwunsch! Alle anderen müssen allerdings meist erst einen langen Übungsweg gehen, auf dem sie ihre körperlichen und mentalen Fähigkeiten trainieren und entwickeln („Gong“ = „durch Übung/Arbeit erworbene Fähigkeit“), um diesen Zustand zu erreichen und eventuell sogar dauerhaft in Ihrem Leben zu etablieren.
Die „Pfeil-Schieß-Atemübung“
Ich arbeite deshalb im Gesangsunterricht und im Chor gern mit körperlichen Übungen, die die inneren, unsichtbaren Prozesse im Außen sichtbar machen und unterstützen. Oft finden sich dabei in den Übungen auch Grundprinzipien und Elemente aus dem Qi Gong wieder. „Das Pferd reiten, den Tiger schießen“, eine Übung aus dem Nei Yang Gong, inspirierte mich beispielsweise zu einer „Pfeil-Schieß-Atemübung“ – vielleicht magst Du sie ja mal ausprobieren:
Nimm einen etwas breiteren Stand ein mit leicht gebeugten Knien (eventuell auch mit einem Bein nach vorn in Schrittstellung) und achte darauf, dass Du Dich gut im Boden verankerst und Dein Schwerpunkt nicht zu weit vorne liegt, sondern eher kurz vor den Fersen. Atme ein und hebe dabei beide Arme, als ob Du einen Bogen halten würdest. Wenn Du ausatmest, spanne mit einem Arm die Sehne des Bogens und ziehe sie nach hinten, während Du mit der anderen Hand den Bogen vorn weiter fest hältst, dabei mache während der gesamten Ausatmung den Laut „ffffffffffft“ oder „schschschschscht“. Das Spannen des Bogens unterstützt und verdeutlicht die zunehmende Spannung im unteren Rücken und in den Seiten während des Ausatmens. Stelle Dir vor, Du wirst dort ganz weit (wie ein aufgehender Hefeteig), während sich der Bauch beim Ausatmen langsam nach innen zieht und am Ende fast wie eine ausgepresste Tube anfühlt. Mit dem „t“ am Ende lässt Du die „Sehne“ und damit auch Deinen Unterbauch los und schießt den Pfeil ab. Die Luft sollte danach wie von allein in Deinen Körper strömen und Deinen Bauch weiten – am besten verschließt Du den Mund sofort nach dem „t“ und lässt die Luft durch die Nase herein fließen. Wenn Du den Bogen spannst, ist der Kraftaufwand zu Beginn noch relativ gering, am Ende jedoch sollte die maximale Spannung erreicht sein. Mache Dir die steigende Spannung zwischen beiden Händen bewusst, verliere nicht den Kontakt zu Deinem Bauch und Deinen Fersen, teile Dir den (Atem-)Weg gut ein und versuche, am Ende wirklich komplett in einem gleichmäßigen Zug alle Luft ausgeatmet zu haben. So kannst Du Deine Bauchatmung vertiefen und trainieren.
Als ich die Übung neulich im Chor zur Erwärmung machte, schossen alle mit viel Elan ihre Pfeile durch den Raum. Obwohl es nur gedachte Pfeile waren, fühlte es sich für mich aber etwas seltsam an, mit einem Mal von 40 Pfeilen durchbohrt zu werden, deshalb bat ich die SängerInnen, vielleicht doch etwas höher zu zielen und nicht unbedingt auf die Chorleiterin zu schießen. Da tönte eine Stimme aus der hinteren Reihe: „Das sind alles Liebespfeile!“
Solveig Fischer – Chorleiterin und Gesangslehrerin, seit 15 Jahren übt und unterrichtet sie Qigong im Tanden Dojo.
Solveig leitet den Popchor Prenzlauer Berg, den H(e)artchor Berlin und den Spreefeld-Popchor.
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