Wuji-Stehen – finde Deine Mitte im Alltag
von Konstantin Rekk und Dr. Miriam Brandt
„Wenn du die Berührung mit der inneren Stille verlierst, verlierst du den Kontakt mit dir selbst. Wenn du den Kontakt mit dir selbst verlierst, verlierst du dich in der Welt.“ – Eckhard Tolle
Sicher kennst Du Menschen, die trotz aller Hektik im Außen im Einklang mit sich selbst bleiben. „Die/der ruht in sich“, sagen wir dann, oder „die/der hat seine innere Mitte gefunden“. Vielleicht hast Du Dich schonmal gefragt: Wie schaffen es solche Leute, sich in allen Lebenslagen so eine ruhige und ausgeglichene Haltung zu bewahren? Und vielleicht wünschst Du Dir, Dir würde das auch öfter gelingen? Vielleicht hast Du bei dieser Beschreibung jetzt jemanden wie den Dalai Lama vor Augen – aber um Deine innere Mitte zu finden und daraus Kraft zu schöpfen, musst Du kein buddhistischer Mönch sein. Im Qigong gibt es Übungen, die Du ganz einfach als Kraftinseln in den Alltag integrieren kannst – zu Hause, an der Bushaltestelle oder im Büro.
Übung: Aus der Mitte sein – der Wuji-Stand – über die Mitte die Unendlichkeit erfahren
Der „Wuji-Stand“ ist eine dieser Übungen. In meinem Qigong-Unterricht nutzen wir sie – wie das auch viele chinesische Kampfkünste tun – um den Geist zur Ruhe zu bringen, in Verbindung mit dem Körper zu gehen und Gewahrsein für die Entstehung von Bewegung zu schaffen. Du kannst diese Übung aber auch im Alltag hervorragend nutzen: Nur 5-10 Minuten reichen schon als „Kurzurlaub“ von Gedankenkarussell und stressigem Alltag; und Du kommst im wahrsten Sinne des Wortes wieder zu Dir.
Allerdings braucht es schon etwas Beharrlichkeit – Du kannst nicht erwarten, nach einem Mal Üben bereits ein neuer Mensch zu sein. Wenn Du aber am Ball bleibst und diese Übung regelmäßig in Deinen Tagesablauf einbaust, wirst Du schnell spüren, wie gut die Übung tut. Mit der Zeit wirst Du auch feststellen, dass die Übung immer mehr in Deinen Alltag ausstrahlt. Und Du wirst überrascht sein, wie leicht es Dir fällt in Einklang mit Deiner Mitte zu kommen.
Wuji: Das chinesische Schriftzeichen 無 / 无, wú stellt eine Verneinung dar, 極 / 极, jí war ursprünglich der „Dachfirst“ und nahm später die Bedeutung von „Pol, Extrem, äußerst, höchst“ an; als Verb kann es auch „erschöpfen“ oder „erreichen“ bedeuten. Wuji (無 極) ist entsprechend „das, was kein Höchstes hat‟. Denkbar ist auch „das, was keine Pole (oder keine Polarität) hat‟. Wird das verneinende wu als „Nichts“ oder „Nicht-Sein“ gedeutet, wäre als Übersetzung auch „das Äußerste des Nichts‟ denkbar.
In der daoistischen Philosophie beschreibt Wuji einen undifferenzierten Zustand des Universums, der noch keine voneinander unterschiedenen Objekte, aber die Potentialität für Alles enthält – also die Einheit aus Leere und Fülle. Durch Taiji, „das Allerhöchste“, entstehen aus Wuji Yin und Yang, die wiederum alle Phänomene hervorbringen. Wir können Wuji auch mit Unendlichkeit, Leerheit oder Urgrund übersetzen.
Wuji gilt in der daoistischen Kosmologie als Urzustand ursprünglicher Ungeschiedenheit. Ihn wieder zu erreichen, bedeutete in der Sicht des religiösen Daoismus nichts anderes, als Unsterblichkeit zu erlangen.
Und so geht’s:
Tip für Anfänger
Diese Übung sieht zwar einfach aus, ist aber sehr komplex. Du wirst Dir nicht auf Anhieb alle Ebenen der Übung erschließen können. Anfänger sollten sich zunächst auf den körperlichen Aspekt der Übung konzentrieren (Schritte 1-6). Wenn Du es schaffst, mit Hilfe der Übung das Getriebensein durch die eigenen Gedanken zu unterbrechen, indem Du das bewusste Wahrnehmen Deines Körpers und Deiner Umwelt in den Vordergrund bringst, hast Du schon viel erreicht. Wenn Du dieses wichtige „Umschalten“ regelmäßig übst, wirst Du merken, dass Du auch im Alltag bewusster und freier bist. Und mit der Zeit werden sich Dir auch die weiteren wunderbaren Ebenen der Übung erschließen.
Wichtig ist: Egal wie viele Schritte der Übung Du ausführst, schließe das Üben immer sehr bewusst mit dem in Schritt 11 beschriebenen Ablauf ab. Dies ist wichtig, damit Du Dich wieder frisch und konzentriert Deinem Alltag widmen kannst.
- Suche Dir sich einen ruhigen Ort, an dem Du ein paar Minuten ungestört bist. Wenn möglich, ziehe die Schuhe aus. Je vertrauter Du mit dieser Übung wirst, desto unabhängiger wirst Du von einer ungestörten Umgebung. Irgendwann könntest Du diese Übung selbst im größten Trubel ausführen.
- Stelle Dich mit geschlossenen Beinen aufrecht hin. Die Großzehenballen berühren sich leicht, zwischen den Fersen sind 1-2 cm Platz. Die Beine sind locker gestreckt, ohne dass die Knie einrasten.
- Schließe die Augen und nimm Deinen Körper wahr. Spüre, wie Deine Füße fest in der Erde verwurzelt sind und Dir Stabilität geben. Stelle Dir einen himmlischen Faden vor, der Dich durch sanften Zug an der Kopfspitze aufrichtet. Der Kopf ist frei; das Kinn ist leicht zurückgenommen, der Nacken lang. Spüre, wie Dein Körper das Gleichgewicht hält.
- Wandere mit Deinem Gewahrsein durch den Körper, suche Bereiche, die noch verspannt oder festgehalten sind. Entspanne besonders die Schultern, den Po, den Bauch und den unteren Rücken. Lass den Atem so kommen und gehen, wie er möchte.
- Nun fang an, leicht vor und zurück zu pendeln. Spüre, wie sich dabei die Gewichtsverteilung in den Fußsohlen ändert. Achte darauf, was sich beim Pendeln im Körper verändert und wie der Körper automatisch verhindert, dass Du aus dem Gleichgewicht kommst. Probiere dann unterschiedliche Pendelrichtungen aus. Der Körper bewegt sich als Einheit, ohne irgendwo abzuknicken oder zusammenzufallen.
- Wenn Du gut mit Deinem Körper verbunden bist, lasse die Bewegung kleiner werden, bis sie fast ganz aufhört. Lenke Deine Aufmerksamkeit auf Deine innere Achse, die sich immer mehr herauskristallisiert. Spüre die Kraft, die Dich zwischen Himmel und Erde aufrecht hält.
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- Vertiefe Deine Entspannung, indem Du noch einmal bewusst alles Festhalten in die Erde abfließen lässt. Die Mittelachse bleibt kraftvoll aufgerichtet, der Kopf frei und leicht. Den Rest des Körpers entspannst Du auf den vier Bahnen – links, rechts, vorne, hinten. Du kannst Dir vorstellen, unter einer wohlig warmen Dusche zu stehen. Das warme Wasser fließt zunächst durch die linke Körperhälfte, von der Kopfspitze bis zu den Zehen, und spült alle Anspannung weg. Das wiederholst Du mit der rechten, dann der vorderen und schließlich der hinteren Körperhälfte. Du kannst die Bahnen auch mehrmals durchfließen – wahrscheinlich wirst Du jedes Mal noch Bereiche im Körper entdecken, die noch nicht ganz losgelassen sind.
- Richte Deine Aufmerksamkeit immer mehr auf Ihre Mittelachse, schäle sie aus allen anderen Wahrnehmungen heraus. Spüre, wie Du aufgespannt bist zwischen Himmel und Erde.
- Beobachte Deine Atmung. Wenn sie kurz und angestrengt ist, konzentrierst Du Dich wahrscheinlich zu stark. Lasse die Atmung los. Lächle Dir selbst zu und erlaube Dir eine tiefe Bauchatmung, das Qi sinkt ins Dantian. Ist Dein Bauch entspannt? Lächle in das Dantian – vielleicht sogar mit dem Dantian.
Natürliche Bauchatmung – dieses Kind zeigt Dir, wie es geht:
- Genieße diesen in der Mitte gesammelten Zustand. Lass den Rest Deines Körpers in den Hintergrund treten. Die Atmung fließt wie von allein. Ebenso bedarf die Kraft, die Dich aufrecht hält, kaum Deines Zutuns. Vertraue Dich dieser mittigen Kraft an. Sei ganz bei Dir. Bleibe in diesem Zustand, so lange es Dir angenehm ist.
- Zum Abschluss fasse sehr bewusst den Gedanken, dass Du die Übung beenden möchtest. Verlagere langsam das Gewicht auf ein Bein, nimm wahr, wie dieser Fuß voll wird und das andere Bein frei, einen Schritt zu machen. Dann öffne die Augen, mache einen Schritt vorwärts und trete aus der Übung heraus.
Nimm die Zentriertheit und Gelassenheit aus der Übung mit in Deinen Alltag. Je öfter Du diese Übung machst, desto leichter wird es Dir fallen, auch während anderer Tätigkeiten das Bewusstsein für Deine Mitte zu bewahren. Du kannst auch weitere Prinzipien des Qigong bei Deinem Üben und im Alltag einsetzen. Oder vertiefe die Übung mit den Schritten 12 bis 15 (siehe nächster Abschnitt).
„Der Schwimmende Drache“ – eine wirksame Qigong-Übung, die Du fast überall in 5 Minuten üben kannst:
Und so geht’s weiter:
Wenn Du mit dieser grundlegenden Qigong-Übung vertraut geworden bist und Dich wohl damit fühlst, kannst Du auch noch einen Schritt weitergehen und die Übung zu einer fortgeschritteneren Meditation im Stehen vertiefen. Diese nächste Ebene wird sich Dir wahrscheinlich nicht auf Anhieb erschließen – das ist ganz normal. Gehe deshalb spielerisch an die folgenden Schritte heran, probiere sie immer wieder aus. Wahrscheinlich wird es einige Anläufe brauchen, aber irgendwann wird die Übung Dich mit völlig neuen Erfahrungen überraschen.
- Bisher hast Du Dich mit Deinem inneren Blick auf die Achse konzentriert. Versuche doch einmal, ganz in die Erfahrung der Achse einzutreten – Du schaust nicht mehr auf die Achse, sondern aus der Achse heraus.
- In diesem Zustand ist Dein Geist ruhig und klar, Du bist offen und zentriert zugleich. Du musst Dich nicht mehr konzentrieren – Du bist einfach. Lausche der alles durchdringenden, echten Stille, die auch als „Leerheit“ bezeichnet wird. Je routinierter Du mit dieser Übung wirst, desto leichter und schneller wird es Dir gelingen, die Leerheit zu erfahren. Dein Geist hat die Freiheit, mit allem verbunden zu sein, ohne irgendetwas zu fixieren. Wenn Gedanken auftauchen, stören sie nicht, sondern ziehen vorbei wie Wolken am Himmel. Erlebe das Paradox, „über die Mitte den Zugang zur Unendlichkeit zu finden“.
- Bleibe in diesem Zustand, solange es Dir angenehm ist. Lege dann die Hände auf den Unterbauch und sammle das Qi im Dantian.
- Führe dann den Abschluss aus wie in Schritt 11 beschrieben.
Nimm die wunderbaren Erfahrungen aus dem Wuji-Stehen mit in Deinen Alltag; rufe Dir den befreienden Zustand, den Du erlebt hast, immer wieder kurz in Erinnerung. So wirst Du immer vertrauter damit, und die Wirkung der Übung kann Deinen Alltag mehr und mehr durchdringen.
Möge Deine Übung gelingen!
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